Wahlkampf auf georgisch:
Prügelei in Bolnisi
Mit politischen Aussagen tun sich die georgischen Parteien im
Wahlkampf recht schwer. Dafür sind sie aber allemal in der
Lage, aus nahezu Nichts einen großen Skandal zu inszenieren,
der dann die Schlagzeilen über Tage beherrscht und die Kommentatoren
aller Lager zu ausführlichen Analysen anregt. Im Mittelpunkt
der Auseinandersetzungen der jüngsten Tage standen mit Michael
Saakaschwili und Lewan Mamaladze, die heftig aneinander gerieten,
zwei Polit-Promis aus Opposition und Regierung.
Der Vorfall ereignete sich in Bolnisi, als Saakaschwili, Führer
der Nationalen Bewegung, mit seinen Anhängern auf Wahlkampftour
war. Nach Aussage des Oppositionspolitikers sei es zu Handgreiflichkeiten
mit Polizei und regierungsfreundlichen Kräften gekommen,
die ihn mit Waffengewalt und Steinwürfen daran hindern wollten,
nach Bolnisi zu kommen. Es gab Verletzte auf beiden Seiten.
Lewan Mamaladze, früherer Gouverneur von Nieder-Kartli und
jetzt Direktkandidat für den Regierungsblock "Für
ein neues Georgien" in Bolnisi, warf der Nationalen Bewegung
vor, den Zusammenstoss provoziert zu haben und beschuldigte Saakaschwili,
eine eigene Kampftruppe mitzuführen, die er sich in seiner
Zeit als Justizminister aufgebaut habe. Denselben Vorwurf erhebt
Saakaschwili seit einiger Zeit gegen die Regierung, der er nachzuweisen
glaubt, sie habe einige illegale Einheiten zur physischen Bekämpfung
der Opposition aufgebaut. Für den Vorfall in Bolnisi machte
Saakaschwili deshalb Staatspräsident Eduard Schewardnadse
persönlich verantwortlich.
Dem Zusamenstoss vorausgegangen war die Verhaftung des Direktkandidaten
der Nationalen Bewegung in Bolnissi, Kamal Muradchanow. Bei seiner
Verhaftung führte er 385 Pässe seiner Anhänger
mit sich, deren Inhaber nach Aussage der Polizei teilweise bereits
gestorben seien. Die Regierung warf der Opposition deshalb vor,
die Wahlen in Bolnisi fälschen zu wollen.
Tage später wurde die Konfrontation während eines Live-Fernseh-Interviews
mit Michael Saakaschwili fortgesetzt. Ohne eingeladen worden zu
sein, betrat Lewan Mamaladse das TV-Studio, um direkt mit Saakaschwili
zu diskutieren. Angeblich hat ihn die Geschäftsführung
des Sender Zugang zum Studio verschafft, was Michael Saakaschwili
zum sofortigen Auszug aus dem Fernsehgebäude veranlasste
mit der Bemerkung, der richtige Platz für Mamaladse sei ein
Gefängnis.
Während Mamaladse das Interview an sich riss, meldete sich
dessen Gegenkandidat um das Direktmandat, Muradchanow, per Telefon,
um Mamaladse der Lüge und Korruption zu beschuldigen. Mamaladse
habe über neun Jahre seiner Zeit als Gouverneuer von Nieder-Kartli
Wahlen gefälscht, ausgerechnet er habe keinen Grund, anderen
Vorwürfe zu machen.
Nach dem mehr oder weniger erzwungenen Spontan-Interview mit
Mamaladse fuhr das Kamerateam zum Büro Saakaschwilis, um
das mit ihm angefangene Interview mit den bekannten Beschuldigungen
dort fortzusetzen. Saakaschwili erklärte, daß unter
seiner Führung kein Regierungsmitglied mit Banditen, Kriminellen
oder Dieben unter einer Decke stecken würde, wie es derzeit
in Georgien der Fall sei. Es störe ihn, daß die Bevölkerung
jeden Tag auf dem Bildschirm Banditen wie Mamaladse ertragen müsse.
Wahlkampfargumente in Georgien.
Staatsanwaltschaft wie Regierung haben zugesichert, die Vorfälle
von Bolnisi restlos aufzuklären und alle Schuldigen, auch
wenn es sich um Regierungsbeamte handele, zu bestrafen. Der stellvertretende
Innenminister Ruben Asanidse stellte unterdessen allerdings klar,
daß die Polizei die meisten Verletzten zu beklagen habe
und deshalb die eigentlichen Leidtragenden des Zusammenstosses
seien.
Es sind noch genau 33 Tage bis zum Urnengang in Georgien und
Beobachter der Szene ergehen sich in allerlei Spekulationen, ob
die Regierung bei Wiederholung solcher Vorgänge nicht den
nationalen Notstand ausrufen und die Wahlen insgesamt aussetzen
könne. Staatspräsident Eduard Schewardnadse wird unterdessen
nicht müde, immer wieder zu betonen, dass das Land am 2.
November faire und sauber organisierte Wahlen erleben werde.
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