Europarat-Beobachter:
Kaum Fortschritt im Wahlrecht
Die Berichterstatter des Europarates für Georgien, der Ungar
Matyas Eorsi und der Bulgare Ewgeni Kirilow, attestierten nach
ihrem Besuch in Georgien nur geringe Fortschritte bei der notwendigen
Reform des Wahlrechts. Bei ihrem Routine-Besuch in Georgien stellten
die Berichterstatter alle anderen Aufgaben, denen sich Georgien
mit seiner Aufnahme in den Europarat zu stellen hat, in den Hintergrund,
denn "alle anderen Themen wie auch das künftige Schicksal
Georgiens hängen in erster Linie von demokratischen Wahlen
im November ab". Die Zweimann-Delegation traf den Präsidenten,
Fraktionen der Opposition und der Regierung des Parlaments, den
Präsidenten des Obersten Gerichtshofes sowie diplomatische
Missionen und NGO`s. Schon im Februar hatte die Delegation erhebliche
Mängel in der Wahlgesetzgebung kritisiert, jetzt erklärte
sie, eine Fortführung des Status quo könne die Mitgliedschaft
Georgiens im Europarat gefährden.
Die Kritik der Europarats-Berichterstatter beflügelte sowohl
Opposition wie auch Regierungs-Kommissionen, die sich mit der
Reform des Wahlrechts befassen. Beide Seiten nutzen die Empfehlungen
der Delegation aus Straßbourg, um jeweils ihre Version eines
neuen Wahlgesetzes zu begründen. Armaz Achvlediani, georgisches
Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
erklärte denn auch überaus optimistisch, dass ein Ausschluss
Georgiens aus dem Europarat nicht auf der Tagesordnung stehe.
Im Gegenteil, mit einer demokratischen Wahl im November könne
Georgien zum Modell für den gesamten postsowjetischen Raum
werden.
Die Gäste bewerteten einen Gesetzesentwurf mit Änderungen
in technischen Fragen und in der Transparenz als sehr fortschrittlich,
monierten aber, dass selbst diese Gesetzesänderung bislang
vom Parlament wegen des Streits um die Besetzung der Zentralen
Wahlkommission nicht verabschiedet worden sei. Es sei wichtig,
dass alle Parteien Vertrauen in die Wahlkommissionen hätten,
denn sonst würde sich der Parteienstreit nach jedwedem Wahlausgang
nur fortsetzen. Die georgische Politik habe nur noch wenig Zeit,
dieses Problem zu lösen. Die Europarat-Delegation riet den
georgischen Parteien, auf allen Ebenen der Wahlkommissionen auf
gleichberechtigte Vertretung der Parteien zu achten, da ansonsten
das Vertrauen in die ermittelten Wahlergebnisse fehle. Nur durch
gegenseitige Kontrolle in den Wahlkommissionen sei dieses Vertrauen
aufzubauen.
Nino Burdschanadse, georgische Parlamentspräsidentin und
Kritikerin der Regierungspolitik in dieser Frage, ergänzte
das Statement der beiden Gäste, die sich mit direkten Vorwürfen
an eine der politischen Lager in Georgien diplomatisch geschickt
zurückhielten, mit der Bemerkung, die Europaratesdelegation
würde nur schwer verstehen, warum die Regierung Kompromissbereitschaft
signalisiere, gleichzeitig aber auf der Hälfte der Sitze
in den Wahlkommissionen bestehe.
Die Europaratsdelegation befürchtet, dass der Streit um
die Besetzung der Zentralen Wahlkommission bereits Teil des Wahlkampfes
ist und deshalb ein Kompromiss zwischen Regierung und Opposition
unmöglich werde. "Die politischen Parteien in Georgien
ergehen sich in gegenseitigen Beschuldigungen in dieser Frage,
während es normal wäre, seine Aufmerksamkeit vor Wahlen
auf soziologische, ökonomische, landwirtschaftliche oder
andere wichtige Themen zu richten, schrieb Matyas Eorsi allen
georgischen politischen Kombattanten dieser Tage ins Stammbuch.
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