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Ausgabe 13/03
3. September


In der letzten Ausgabe beschrieb GN-Chefredakteur Rainer Kaufmann die Autofahrt von Karlsruhe bis kurz hinter die griechisch-türkische Grenze. Der zweite Teil der Reisereportage behandelt die Strecke von Tekirdag in der Nordtürkei bis nach Tbilissi.

3. Tag: Über die Brücke nach Asien

Nach rund 115 km ist der Stadtrand von Istanbul erreicht, rund 70 km lang ist die Fahrt durch den Häuserdschungel der Millionenstadt. Absolutes Highlight des Tages ist die Überfahrt über den Bosporus mit einem atemberaubenden Blick auf das Goldene Horn.

Bei starkem Verkehr ist es gefährlich, langsam über die Hängebrücke zu fahren, da die Istanbuler, die hier tagtäglich zur Arbeit hin- und herrauschen, kaum nachvollziehen wollen, dass der Tourist eher geneigt ist, etwas langsamer zu fahren. Also bleiben wir nach der Mautstelle kurz vor der Brücke strikt auf der rechten Spur und fahren gleichmässig gemütlich dahin, um den Ausblick genießen zu können.

Damit sich Nachahmer rechtzeitig darauf einrichten können, hier die Koordidnaten: Die Brücke nach Asien ist genau 260 Straßen-Kilometer nach der griechisch-türkischen Grenze erreicht. Aprospos Maut: Rund um Istanbul mussten wir zweimal löhnen, jeweils 2,5 Millionen Lira, das sind jeweils nicht einmal 1,5 €. Am Ende unserer türkischen Autobahnstrecke waren es noch einmal 3,75 Millionen, also auch ein Betrag, der eher zu vernachlässigen ist, dafür sind die türkischen Autobahnen von ausgezeichneter Qualität.

Nach ein paar Stunden gemütlich zu fahrender Autobahn mit nahezu kaum wahrzunehmendem Verkehr, endet kurz vor Bolu der automobile Luxus. Die Autobahn nach Ankara ist unterbrochen, der 980 m hohe Bolu-Pass ist zu überwinden. Einige Kilometer vierspurig ausgebauter Passstraße, umsäumt von unzähligen Kneipen, Obst- und Kunsthand-werksgeschäften führen nach oben in die beliebte Erholungslandschaft. In Bolu könnte man wieder die Autobahn nach Ankara benutzen, wir ziehen aber die Landstraße vor. Zum einen führt sie paralell zur Autobahn und ist breit genug, um flott voranzukommen, zum anderen muss man für unsere Route schon nach wenigen Kilometern bei der Ausfahrt Gerede die Autobahn wieder verlassen. Auch auf der Landstraße folgen wir zunächst einmal der Hauptrichtung Ankara, um dann nach Gerede, wenn die Straße nach Ankara in südliche Richtung einschwenkt, stur auf Ostkurs und damit in Richtung Schwarzes Meer zu bleiben. Und jetzt beginnt einer der schönsten Teile der gesamten Reise, die 500 km lange Fahrt durchs türkische Hochland. In den Fensterscheiben unseres klimatisierten und damit trotz sommerlicher Schwüle recht gemütlich termperierten Renault Kangoo spult sich ein Landschaftsfilm nach dem anderen ab, die zu beschreiben, kaum gelingen kann. Das muss man schon selbst gesehen haben und man muss vor allem seine Freude an landschaftlichen Impressionen haben.

Für Autofahrer bieten die türkischen Straßen eine weitere Besonderheit: Die türkischen Verkehrsplaner gehen mit der Aufhebung der vielen Überholverbote derart konsequent um, dass sie nicht einen Meter, der die für einen Überholvorgang notwendige Sicht bietet, unnötig im Überholverbot belassen. Daran könnte sich vor allem die georgische Polizei ein Beispiel nehmen, die es nach jeder Verbotstafel, egal ob Überholverbot oder Geschwindigkeitsbegrenzung, dem Automobilisten und seinem Verantwortungsgefühl überlässt, wann die einmal eingesetze Verkehrsbeschränkung wieder aufzuheben wäre. Dort, in der Türkei, macht Autofahren noch richtig Spaß, wobei wir mit unserer georgischen Polizeierfahrung mit großer Freude die Tatsache registrierten, dass sich mit Ausnahme von Istanbul die türkische Straßenpolizei auf unseren 1.800 km höchstens fünf Mal zeigte, ohne uns ein einziges Mal anzu-halten. Am Abend ist dann Samsun erreicht, unser zweiter Übernach-tungsort in der Türkei. Wir fahren noch bis nach Terme am Schwarzen Meer, wo wir auf einem Strand-Camping wieder einen sicheren Stand-platz für die Nacht finden. Kosten pro Person inklusive Auto: 5 Millionen Lira, das sind etwas mehr als 3 € - also alles recht preiswert. Die Sanitäranlagen allerdings rechtfertigen aus deutscher Sicht selbst diesen Preis nur sehr bedingt.

Auf dem Campingplatz ist nicht allzuviel los. Die kleinen Restaurants bieten fast nur Tee und Gebäck, nichts zu essen. Bier darf nur außerhalb der abgesperrten Restaurantflächen getrunken werden, die Kneipen haben keine Alkohol-Lizenz. Wir nehmen fast eine Stunde Wartezeit in Kauf, lassen speziell für uns Roastbeef organisieren mit Kartoffeln, für 20 Millionen Lira (= 13 €) und zwei Personen durchaus angemessen. Das Bier, Tuborg in der Dose, kostet 1,5 Millionen, also 1 €, das gute türkische Effes - in Tbilissi vor zehn Jahren noch das einzige erhältliche Importbier - ist anscheinend nicht sonderlich gefragt. Die Tristesse, die uns an diesem Campingplatz ins Auge springt, erklären uns junge Studenten aus Samsun, die hier, wie andere junge Leute aus den umliegenden Städten, ihren Sommerurlaub verbringen. Die türkische Wirtschaftskrise lässt keine größeren Sprünge zu, und dies auch nur dann, wenn man sich im Zelt selbst verpflegt. Höchstens ein Glas Tee ist ab und zu drin, und da sich an diesen Teil des Schwarzen Meeres kaum Ausländer verirren, erklärt sich das relativ bescheidene Angebot dieser Urlaubs-Gastronomie von alleine. Jedenfalls erregen wir zwei teutonischen Biertrinker einiges Aufsehen und können uns mit der Hilfe eines jungen Bochum-Türken schliesslich mit allem versorgen, was der Körper nach einem langen Tag auf den Straßen der Türkei braucht. Mit einem Glas Tee hätte er sich bestimmt nicht zufrieden gegeben.

4. Tag: Vom Schwarzen Meer nach Ardahan

Früh morgens fahren wir los, einen Kaffe oder Tee auf dem Campingplatz zu finden, ist aussichtlos. Wir steuern die erste Kneipe am Straßenrand an, die an diesem Sonntagmorgen geöffnet hat und geniessen ein ausführliches Frühstück. Die Strecke über Trabzon nach Hopa, dem türkischen Grenzort, ist nicht besonders aufregend. Seit Jahren sind die Türken dabei, die Strecke zu einer vierspurigen Autobahn auszubauen, vor allem nach Trabzon ein topografisch schwieriges Unterfangen. Ungeahnte Mengen von Gestein müssen gesprengt und bewegt werden, um die Trasse freizulegen. Man muss dabei wissen, dass hinter Trabzon vor etwas mehr als zehn Jahren die Welt zu Ende war. An der georgisch-türkischen Grenze standen sich die Militärblöcke von NATO und Warschauer Pakt gegenüber. Da gab es keinen Grenzverkehr. Jetzt erst, nach dem Niedergang der Sowjetunion, ist diese Straße zu einer Hauptverbindung und damit vielbefahrenen Verkehrsachse geworden, deren Last mit der alten Straße kaum bewältigt werden kann. Wer diese Strecke jetzt seit rund zehn Jahren zum wiederholten Male fährt, stellt durchaus Fortschritte fest. Von Jahr zu Jahr werden es mehr Kilometer guter Straße, wenngleich das Bautempo und die Baustrategie, alle paar Kilometer eine neue Baustelle zu eröffnen und dazwischen den alten Zustand zu belassen, nur schwer nachvollziehbar sind. Aber immerhin, wenn diese Autobahn einmal fertiggestellt sein wird, wird sie zu den schönsten Strecken iher Art zählen.

Was uns auch auffällt, ist die Tatsache, dass alle Teefabriken der Nordtürkei wohl ununterbrochen arbeiten, ganz im Gegensatz zur Situation in Georgien. Und wir fragen uns, woran dies liegt, an den unterschiedlichen klimatischen Voraussetzungen kann es wohl kaum liegen, der georgische Tee müsste diesselbe Qualität erreichen können wieder türkische und damit auch denselben Markt.

In Hopa, wo wir zur Mittasgszeit des vierten Tages ankommen, geht es um eine grundsätzliche Entscheidung: Fahren wir sofort weiter nach Sarpi und dort über die Grenze nach Adscharien, damit wir möglicherweise noch am Ende des vierten Tages in Tbilissi eintreffen können? Oder biegen wir noch einmal ostwärts ins türkische Hinterland ab, um über Südgeorgien und damit unter Umgehung von Adscharien Tbilissi anzusteuern? Jeder Kenner der Situation weiß um den Hintergrund dieser Frage. Das sind die Zustände am türkisch-georgischen Zoll in Sarpi und vor allem die freundliche Aufmerksamkeit, mit der adscharische Polizisten sich jeden Autofahrers annehmen, dessen Kennzeichen verrät, dass er nicht Bürger dieser Gott- und Aslan-gesegneten Autonomen Republik am Schwarzen Meer ist. Nachdem wir schon mehrfach unsere eigenen Erfahrung mit dieser besonderen Spezies von Uniformträgern gemacht haben, war die Entscheidung klar: Wir fahren über die Berge nach Achalziche.

Hopa eignet sich für Reisende, die nicht ganz unser Tempo einschlagen wollen und etwas länger brauchen, als letzter Übernachtungsplatz: Gleich am Ortsrand gibt es ein sauberes Hotel (Hotel Terzioglu) mit einem Deutsch-Türken als Manager. Das Doppelzimmer kostet 30 $ mit Frühstück und Meerblick, Swimmingpool und Sauna werden derzeit gebaut. Während der Woche sind immer genügend Zimmer frei, am Wochenende (Freitag und Samstag vor allem) zieht es jedoch unzählige Jungtürken aus den Bergen ans Meer. Hopa gilt als der Vergnügungsplatz der Region mit einem besonders umfangreichen Dienstleistungsangebot. Da kann es schon vorkommen, dass die Zimmer aller Hotels der Stadt ausgebucht sind mit vergnügungssüchtigen Männern aus der Umgebung.

Wir biegen also nach Osten ab und werfen uns und unser Gefährt in die Achterbahn der nordwesttürkischen Berge, eine Fahrt, die wir so schnell nicht vergessen. Vier oder fünf Pässe haben wir zu überwinden, zwei davon über 2.500 m. Wir sehen Landschaften, die wir hier oben nicht zu erwarten gewagt hätten: erst subtropische Teeplantagen, dann karstige

Schluchten und steppenartiges Hochland, schließlich über allem und rund 2.000 m hoch eine Art lieblicher Wald- und Almenlandschaft, wie wir sie aus dem Alpenvorland kennen. Und zu guter letzt, kurz vor der georgischen Grenze, noch Blicke von schwindelnder Passhöhe in Täler,

deren Landschaftsgrafik durchaus an die Toskana erinnert. Und erstmals nach rund 13 Jahren Georgien-Erfahrung kommt so etwas wie Dankbarkeit gegenüber der adscharischen Polizei auf, dass sie uns motivierte, diese unvergleichlich schöne Strecke in Angriff zu nehmen, deren Straßen sich im übrigen in einem überwiegend guten Zustand präsentierten. Höhepunkt dieser Berglandfahrt ist die Stadt Artvin, die

einen etwas mehr als einstündigen Abstecher unbedingt lohnt. Zur Übernachtung empfehlen wir Ardahan, ein Bergstädtchen auf rund 1.800 m Höhe, das über einfache, aber durchaus saubere Hotels verfügt. Im schummrigen Speisesaal des Hotels Ardahan (Doppelzimmer für 30 $ incl. Frühstück) verspeisen wir am Abend noch gebratene Hühnerschlegel von einer Qualität, wie wir sie schon lange nicht mehr serviert bekamen.

5. Tag: Schnelle Zöllner und gute Straßen

Über 2.600 m hoch ist der letzte Pass, den wir am fünften Vormittag unserer Reise von Karlsruhe nach Tbilissi überqueren, das Dach unserer

Automobiltour vom Kraichagu in den Kaukasus. Und dort oben treffen wir urplötzlich auf die geo-politische Realität dieser Region, die Pipeline

Baku-Tbilissi-Ceyhan. Ein dunkelbrauner Streifen durchzieht das satte Grünland, aufgefrässter Weideboden, in dem dann die Erdölleitung versenkt werden soll. Später wird der Humus wieder auf der Trasse

aufgebracht und begrünt, die Narbe in der Landschaft, die wir jetzt sehen, soll wieder verschwinden. Zwei große Baulager erkennen wir von der Passhöhe, bevor wir uns hinunterbegeben in Richtung Posof, der kleinen Grenzsstadt in wirklich malerischer Umgebung.

Nur noch mit großer Überraschung können wir den Ablauf des Grenzübertritts beschreiben. Auf türkischer Seite waren wir die einzigen im Zollhof, auf der georgischen standen immerhin drei oder vier PKW und ein paar LKW herum. In nicht einmal 20 Minuten hatten die türkischen Grenzer in ausgesuchter Höflichkeit die Formalitäten abgewickelt. Kosten: keine, auch keine Beschleunigungszahlungen unter der Hand. Ob der mögliche Beitritt in die EU jetzt schon seinen Schatten in den letzten Winkel der Türkei vorauswirft?

Etwas letargischer, jedenfalls viel unhöflicher und fast schon muselmanisch gleichgültig, erschienen uns die georgischen Grenzschützer und Zöllner, wenngleich wir auch hier kaum wirklichen Grund haben, uns über die Abwicklung zu beklagen: Straßenbenutzungsgebühr, Zollkosten und Versicherung für unser Fahrzeug, das in Deutschland registiriert ist, kosten zusammen 70 €, die Prozedur dauerte knappe 45 Minuten. Nur der letzte Grenzer, der uns aus dem Zollhof in die georgische Freiheit entlässt, forderte - ohne jede Berechtigung - ein Trinkgeld von 5 $. Wir gönnen es ihm ohne Widerspruch, vielleicht ist es gut, gewisse Praktiken nicht völlig zu verlernen.

Nach nur einer guten Stunde Grenzaufenthalt waren wir also in Georgien angekommen, wo uns dann zunächst einmal 30 derbe Straßenkilometer erwarteten. Aber dann, nach Achalziche sahen wir sogar die Straßenbautrupps und wollten unseren Augen kaum trauen, als uns entlang der Kura statt der bekannten Schlaglöcher zig Kilometer nagelneuen Asphaltbelags samt metallener (!) Leitplanken erwarteten. Es tut sich was auf Georgiens Straßen, wozu auch der Umstand zu zählen ist, dass uns die auffällig verstärkt Präsenz zeigende Polizei nicht ein einziges Mal zu irgendeiner der bekannt notdürftig begründeten Kontrollen anhielt. Natürlich erfreuen sich Autos mit Zollkennzeichen einer weitaus intensiveren Betreuung durch die georgische Polizei. Mit unserem deutschen Kennzeichen lässt man uns allerdings ohne jeglichen Anstand bis nach Tbilissi durchfahren. Das läßt hoffen, vielleicht auch auf die Entwicklung eines individuellen Automobiltourismus, der sich schon vor Jahrzehnten die letzten Winkel der Türkei erschloss. Warum nicht auch einmal für vier oder fünf Wochen mit dem Auto durch den Kaukasus fahren? Die Anreise über Italien, Griechenland und die Türkei jedenfalls, auch wenn sie um ein oder zwei Tage gestreckt wird, ist kein Problem, wenn man Spass daran hat, die Veränderung von Landschaften über ein paar Tausend Kilometer zu erfahren. Im Überfliegen muss man auf all diese Impressionen verzichten.

PS.: Ein paar Tage später erfahren wir, dass der georgische Versicherungsagent an der Grenze die in Lari ausgestellte Versicherungspolice mit einem astronomischen Kurs in Dollar umgerechnet hat. Und wir haben im Dorf Achaldaba, das wir bei unserer Anreise aus Deutschland noch anstandslos passieren konnten, eine wieder errrichtete nächtliche Polizeisperre vorgefunden, an der wir eine völlig unmotivierte Fahrzeugregistrierung auf irgendeinem Fresszettel über uns ergehen lassen mussten und die Frage, ob wir Türken seien. Diese werden an der Willkür-Kontrolle wohl kräftig abgezockt. So macht halt jeder seine eigenen Erfahrungen mit der georgishcen Polizei, wir bleiben dabei: auf den rund 4.000 km von Karlsruhe bis Tbilissi nicht ein einziges Mal angehalten worden zu sein.































































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