Der
Weg wird lang
Georgien auf NATO-Kurs
Nimmt man die georgischen Medien als Massstab, dann gibt es auf
dem Prager NATO-Gipfel nur ein Thema: den baldigen Eintritt Georgiens
in die NATO. Und im Verteidigungsministerium ist man sogar davon
überzeugt, dass dies in den nächsten zwei bis drei Jahren
bereits geschehen werde.
Etwas gelassener hat Eduard Schewardnadse den Antrag seines Landes
auf volle NATO-Mitgliedschaft kommentiert. Er erklärte, dass
ein oder zwei Jahre wohl nicht ausreichten, das Land auf NATO-Standards
zu trimmen, aber man habe Zeit und die Geduld zu warten. Der Weg
zum Ziel werde für sein Land lang sein, aber nicht so lange,
wie es vor einigen Jahren noch erschien.
Der georgische Staatspräsident sieht im der jetzt offiziell
angepeilten NATO-Mitgliedschaft nichts anderes als die grosse
historische Wende. Über Jahrhunderte sein Georgien von der
westlichen Zivilisation abgeschnitten gewesen, obwohl es seinen
Platz immer dort gesehen habe. Und einer seiner engsten Mitarbeiter
ergänzte gar, dass mit dem Prager Gipfel endlich Perestroika
seinen Abschluss gefunden habe, die Politik der Veränderung,
für die Schewardnadse als früherer Aussenminister der
UdSSR gestanden hat.
"Die Mitgliedschaft in der NATO bedeutet für Georgien
die letzte Sicherheitsgarantie" erklärte Schewardnadse
in Prag. Dabei denkt der georgische Staatspräsident wohl
kaum daran, dass ihm die NATO bei der Lösung seiner territorialen
Probleme in irgendeiner Art beispringen werde. Aber an die Richtungsentscheidung
Georgiens zur NATO und die gleichzeitige Richtungsentscheidung
der NATO zu Georgien knüpft man hierzulande die Hoffnung,
dass die NATO wenigstens ihren Einfluss in Moskau benutzen werde,
um Russland zu einer positiveren Rolle im Friedensprozess vor
allem in Abchasien zu bewegen. Der Satz der Prager Gipfelerklärung,
wonach die NATO auf die Einhaltung der Istanbuler Vereinbarungen
in Georgien und Moldawien besteht, also auf den Rückzu der
russischen Militärbasen in Georgien, wird als deutliches
Signal verstanden, dass man jetzt auch ohne volle militärische
Integration in die NATO einen wichtigen neuen Verbündeten
gewonnen hat.
Dass die NATO in ihrer Gipfelerklärung direkt die Länder
der strategisch wichtigen Regionen des Kaukasus und Zentralasiens
ermutigt hat, alle Anstrengungen zu unternehmen, näher an
die NATO heranzukommen, wurde in Georgien mit besonderem Interesse
notiert, wobei die Vorgaben der NATO ganz erhebliche Anstrengungen
Georgiens erfordern, will es dieses Ziel erreichen. Die NATO erwartet
von weiteren Beitrittskandidaten, "die Lösung aller
internationalen, ethnischen oder externen territorialen Probleme
mit friedlichen Mitteln; einen wirkungsvollen Beitrag zur Entwicklung
des Rechtsstaats und der Menschenrechte; Aufbau einer demokratischen
Kontrolle der Streitkräfte; Garantie von Stabilität
und Wohlfahrt durch wirtschaftliche Freiheit, soziale Gerechtigkeit
und Verwantwortung für die Umwelt."
Unabhängig von den gewaltigen finanziellen Anstrengungen,
die Georgien erbringen muss, will es seine Armee auf NATO-Standards
trimmen, gibt es also viel zu tun, wenn die Ziele der historischen
Zäsur von Prag auch wirklich erreicht werden sollen.
Unterstützung erhielt Schewardnadse vom amerikanischen Präsidenten
Bush. Auf einem nicht eingeplanten zehnminütigen Treffen,
bei dem die beiden nach Auskunft des georgischen Sicherheitschefs
Tedo Tschaparidse unter anderem über die Themen Pankisi und
GTEP-Programm sprachen, unterstützte der Amerikaner den Beitrittswunsch
der Georgier. Das Thema Georgien, versicherte Tschaparidse, stand
bei den bilateralen Verhandlungen zwischen Bush und Putin auf
der Tagesordnung, was für Georgien nichts anderes bedeutet
als dass seine Zukunft jetzt nicht nur von Moskauer Alleingängen
abhängig ist. Georgiens Blick richtet sich deshalb hauptsächlich
nach Washington.
In der georgischen Öffentlichkeit wird der geplante NATO-Beitritt
überwiegend positiv aufgenommen. Es gibt - quer durch alle
politischen Lager - kaum kritische Stimmen zum Auftritt Schewardnadses
in Prag. Nur einer meldete sich Wort: der Stalins Enkelsohn Jewgeni
Dschugaschwili. Sein Grossvater, erklärte er einer Presseagentur,
hätte diesen Schritt niemals gebilligt, denn er richte sich
voll und ganz gegen die Interessen Russlands. Zu dumm nur, dass
auch Russlands Präsident Putin trotz aller Kritik an der
massiven Osterweiterung der NATO die prinzipielle Bereitschaft
seines Landes erklärt hat, mit der NATO zusammenzuarbeiten.
Georgien will jetzt seiner NATO-Beitritts-Aktivitäten mit
Aserbaidschan, der Ukraine und Rest-Jugoslawien koordinieren.
Fehlt eigentlich nur noch Armenien, um die Kandidatenliste der
nächsten Erweiterung zu komplettieren. Auch von dort gab
es vorsichtige Signale: Im nächsten Jahr wird das erste Manöver
im Rahmen des NATO-Programms "Partnerschaft für den
Frieden" in Armenien stattfinden. Georgien hatte vor zwei
Jahren zum ersten Mal ein solches Manöver ausgerichtet.
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