Andernorts in der Welt werden die Weine von der Sonne verwöhnt.
Der georgische Wein lässt sich von Russland verwöhnen.
Dieser Eindruck drängt sich unweigerlich auf, wenn man die
Gespräche mit georgischen Anbietern auf der Düsseldorfer
PROWEIN, einer der größten internationalen Weinfachmessen,
Revue passieren lässt. In der georgischen Weinwirtschaft dreht
sich derzeit alles um Russland und einige andere GUS-Länder,
in denen man einen blendenden Absatz hat, sodass man sich um andere
Exportmärkte nicht so intensiv zu kümmern braucht. Moskau
und Petersburg ziehen einen Großteil des georgischen Weines
ab, vor allem des roten, was bei den großen georgischen Weinkellereien
zur überaus komfortablen Lage führt, mehr Nachfrage zu
haben als man derzeit und mittelfristig befriedigen kann. Dies gilt
insbesondere für die wenigen Weingüter, deren Qualität
europäischen Standards genügt, und für die bekanntesten
Rotweine, den Saperavi und Mukusani, von denen nach der letztjährigen
schwachen Ernte überdies viel zu wenig in den Kellern eingelagert
werden konnte. Diese Mangelsituation bestimmt Marketing-Aktivitäten
und Preispolitik der georgischen Weingüter, sehr zum Unverständnis
westlicher Marktpartner.
Preise kaum wettbewerbsfähig
Denn der georgische Wein präsentierte sich auf der PROWEIN
auf einem Preisniveau, das - gelinde gesagt - kaum wettbewerbsfähig
ist. Roter Tafelwein (Marke: OLD TBILISI) wurde ab Werk in Georgien
für nicht weniger als 2,60 US-$ angeboten, Qualitätswein
der Sorte Saperavi für 3,05 $ (TBILVINO) und 3,30 $ (Marke:
TAMADA) und die Spitzen des georgischen Weinangebots, der wirklich
gute Saperavi-Wein von Telawi Wine Cellar, steht gar für
5,50 $ in den Exportpreislisten, ab Werk wohlgemerkt. Bis der
Wein dann nach Transport, Zoll und Händlerspannen beim europäischen
Endverbraucher ankommt, muss er in der Spitze gut und gerne zwischen
15 bis 20 $ kosten, im Tafelweinbereich etwa 10 $. Dieses Preisgefüge
ist angesichts der nicht erkennbaren Position des georgischen
Weines auf dem europäischen Markt und der enormen Konkurrenz
aus allen Erdteilen durchaus ehrgeizig und erklärt sich nur
durch die noch viel zu geringen Produktionskapazitäten georgischer
Qualitätsweingüter. Denn bei allen Weinmengen, die in
Georgien nach wie vor reichlich fließen, sind nur eine Handvoll
der Produktionsstätten qualitativ in der Lage, auf dem europäischen
Markt zu bestehen. In Düsseldorf präsentierten sich
auf dem Stand der georgischen Weinwirtschaft, der von der GTZ
und deren georgischem Projekt GEPA (Georgian Export Promotion
Agency) teilweise finanziert wurde, nur drei georgische Anbieter:
GWS, Tbilvino und Telawi Wine Cellar. Ein weiteres Produkt, Monastry
Gremi, fanden wir auf dem Stand des deutschen Weingutes Peter
Mertes, der sich als einziger deutscher Investor in einer georgischen
Kellerei, nämlich in Gremi, finanziell engagiert hat. GWS,
der Marktführer, gehört schon lange mehrheitlich zum
französischen Konzern Pernod-Ricard.
Vom Sowjetmarkt in den Weltmarkt
Der Hintergrund für die Mangelsituation an guten georgischen
Weinen reicht bis weit in die sowjetische Weinbaupolitik zurück,
in der die Erreichung von Qualität meist der Forderung nach
Menge, nach Planerfüllung also, untergeordnet wurde. Der
Spruch aus damaligen Zeiten "Moskau braucht mehr Wein, gießt
Wasser in die Tanks" zeigt deutlich, wo die Weinbaunation
Georgien, die für sich in Anspruch nimmt, Wiege der Weinkultur
überhaupt zu sein, am Ende der Sowjetära stand. Man
hatte schlichtweg rund ein Jahrhundert Entwicklung in Technologie
und Marketing verschlafen in der stolzen Gewissheit, Nr. 1 der
Weinproduzenten des Sowjetreiches gewesen zu sein. Das Erwachen
auf dem Weltmarkt war heftig.
Kaum eine "Weinfabrik" verfügte vor zehn Jahren
über eine moderne Kellereiausrüstung oder Abfüllung.
Filtration oder gute Verkorkung waren kaum bekannt. Vor einem
Jahrzehnt noch war das Öffnen der weißen Plastikverschlüsse
bei jeder Flasche mit dem Risiko einer schweren Fingerverletzung
verbunden und nach dem Genuss von zwei Viertelchen Rotwein war
Zähneputzen angesagt ob der Unmengen an festen Trübstoffen,
die sich zwischen den Zähnen festgesetzt hatten. Das muss
man wissen, wenn man erkennen will, welche Entwicklung der georgische
Weinbau in den letzten Jahren genommen hat.
Einige wenige Weinfabriken, ein halbes Dutzend vielleicht und
mittlerweile privatisiert, haben Investitionen im zweistelligen
Millionenbereich in Kellereitechnik vorgenommen, sodass die Spitze
des georgischen Weinbaus derzeit durchaus internationalen Level
erreicht hat. Die Qualität der georgischen Weine braucht
sich nicht mehr zu verstecken, man hat zumindest den Anschluss
an den Weltmarkt gefunden. Eine respektable Leistung, befindet
der deutsche Marketing-Berater Rainer Kubera, der sich im Auftrag
der GTZ in den letzten fünf Jahren um die Exportförderung
des georgischen Weines gekümmert hatte: "Qualität,
Verpackung und Aufmachung bieten auch andere Weinbauländer
nicht wesentlich besser als die Georgier". Dieses immerhin
wurde erreicht. Das sei eine ganze Menge, jetzt sei aber ein Punkt
der Stagnation erreicht, der überwunden werden muss, wenn
es mit dem georgischen Weinbau weiter aufwärts gehen soll,
resumiert Kubera die vergangenen Jahre und die Aufgaben der Zukunft.
Kubera, der dessen Berater-Engagement mit der PROWEIN 2003 ausläuft,
gibt seiner georgischen Klientel vier Aufgabe mit auf den Weg,
um langfristig wettbewerbsfähig zu werden und das enorme
Potential des georgischen Weinbaus auch voll auszuschöpfen:
- erhebliche Verbesserung der Traubenqualität;
- Senkung der Preise auf wettbewerbsfähiges Niveau;
- Sicherstellung der Zertifizierung und
- Aufbau einer einheitlichen Imagewerbung für georgischen
Wein im Ausland.
Dass der georgische Wein ein Entwicklungspotential hat, bestätigt
der Chef eines der bekanntesten deutschen Weingüter, Christian
von Guradze vom Weingut Dr. Bürklin-Wolf/Wachenheim. Von
Guradze, dessen Familie vor ein paar Hundert Jahren aus Georgien
ausgewandert war, hat sich in den vergangenen Jahren in Kachetien
genauer umgesehen und war mehr als angetan von den Möglichkeiten
"seiner" Georgier. Sein Urteil nach einer einwöchigen
Recherchenreise im vergangenen Jahr: "Ideales Klima, hervorragende
kalkhaltige Böden und mit dem Saperavi eine eigenständige
Rebsorte, die zusammen mit Cabernet-Sauvignon, Merlot und anderen
internationalen Trendsorten in der Lage ist, langfristig die internationale
Spitze zu erreichen, wenn sich Qualitätsdenken in Weinberg
und Kellereiwirtschaft einmal durchgesetzt haben."
Traubenpreis zu hoch
Derzeit rächt sich aber zunächst einmal, dass im letzten
Jahrzehnt der Sowjetzeit mehr als die Hälfte der Reb-Anbaufläche
ausgestockt wurde. Es gibt, so verwunderlich das auch klingen
mag, einfach zu wenig Trauben vor allem des potentiellen georgischen
Export-Schlagers "Saperavi", was notwendigerweise den
Erzeugerpreis für Trauben in die Höhe treibt. In Kachetien
mussten die Kellereien im vergangenen Herbst, bedingt auch durch
Hagelschäden, in der Spitze zwischen 0,50 bis zu 1 €
für ein Kilo Saperavi-Trauben an die Bauern bezahlen. Ein
Preis, der einerseits das ansonsten bekannte georgische Lohn-/Preisgefüge
sprengt und sich natürlich auf den Endpreis des Produktes
niederschlagen muss.
Es geht dabei auch um die Qualität. Denn die meisten Kellereien,
auch die Qualitätsfirmen, sind nach wie vor nahezu völlig
auf Zukäufe von lokalen Privatbauern angewiesen, die - beste
sowjetische Tradition - ihre Rebflächen vor allem nach dem
Kiloertrag bewerten und kaum auf Qualität bei Schnitt und
Ernte achten. Dies wird sich mittelfristig ändern, wenn die
in den letzten drei Jahren angelegten riesigen Neupflanzungen
der großen Weingüter erstmals in den Ertrag und später
dann auf den Markt kommen. Mehrere Hundert Hektar Rebenneupflanzungen
wurden in den letzten zwei bis drei Jahren in Kachetien vorgenommen,
auch dies eine durchaus respektable Investition in die Zukunft
des georgischen Weines. Der Trend geht weiter, Reserveflächen
sind ja vorhanden. Rund 40.000 ha früherer Rebflächen
warten drauf, wieder bestockt zu werden.
In zehn Jahren erst wettbewerbsfähig
Experten erwarten in wenigen Jahren deshalb eine weitaus bessere
Traubenqualität bei weitaus geringeren Produktionskosten,
eine Entwicklung, die sich aber erst in fünf bis zehn Jahren
am Exportmarkt durchschlagen wird. Das heißt, der georgische
Qualitätsweinbau hat mittelfristig durchaus Chancen, seine
Wettbewerbsfähigkeit in Qualität und Preis zu verbessern,
will heißen: bessere Qualität zu marktfähigeren
Preisen bei größerem Angebot. Dann erst wird sich der
georgische Wein auch um die europäischen Märkte kümmern
müssen, die er heute noch mit gebremster Aktivität bearbeitet.
Dass dies dann auch Auswirkungen auf die soziale Lage der Kleinbauern
bringen wird, die derzeit die heimlichen Gewinner des georgisch-russischen
Weinboomes sind, sei heute nur am Rande vermerkt. Ihre Monopolstellung
bei der Traubenproduktion werden sie verlieren.
Ein weiteres Hindernis für den Export des georgischen Weines
in die EU ist die fehlende Zertifizierung georgischer Weine. Zwar
sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ursprungskontrolle
nach europäischem Muster mittlerweile geschaffen, aber die
Labortechnik ist noch nicht EU-kompatibel. Daran wird gearbeitet,
zwei Laborprojekte, die beide international akkreditiert werden
sollen, wurden angefangen, beide mit internationaler Hilfe. Eines
wird von der deutschen GTZ in Zusammenarbeit mit dem georgischen
Landwirtschaftministerium aufgebaut, das andere von der georgischen
Exporteursvereinigung zusammen mit UNDP (United Nations Development
Program) und fachlicher Begleitung durch den deutschen TÜV-Nord.
In beiden Fällen hofft man, bis Ende diesen Jahres noch mit
den ersten Untersuchungen beginnen zu können. Sollten diese
Labors tatsächlich ihren Betrieb aufnehmen und die georgischen
Weingüter ihre Verpflichtung, über die Herkunft ihrer
Weine und deren Verarbeitung im Keller genauestens Buch zu führen,
einhalten, dürfte die derzeitige Importbeschränkung
für georgischen Wein in die EU nicht mehr lange Bestand haben.
Kaum Geschäftsabschlüsse auf der PROWEIN
Auf der PROWEIN waren es deshalb vor allem die Einkäufer
aus Russland, dem Baltikum, der Ukraine und Kasachstan, die den
Stand der georgischen Weinwirtschaft bevölkerten. In diesen
Ländern verkaufen die georgischen Weingüter nahezu 100
% ihrer Exporte. In Europa, erklärte einer der Verkaufsmanager
unumwunden, sind wir eigentlich nur des Prestiges wegen. Es gehöre
halt einfach dazu, zum Beispiel in England präsent zu sein.
Das kann sich in einigen Jahren ändern, wenn das Angebot
guter georgischer Weine gestiegen sein wird. Außerdem wissen
vorausschauende Manager durchaus um das Risiko, im Export überwiegend
von einem Kunden, nämlich Russland und der GUS, abhängig
zu sein. Ein kleiner Schnupfen der russischen Wirtschaft kann
dann in der georgischen Weinwirtschaft eine verheerende Infektion
auslösen. Die Erfahrung hatte man vor ein paar Jahren bereits
gemacht, als die russische Wirtschaftskrise voll auf den georgischen
Weinbau durchschlug.
Konkrete Geschäftsabschlüsse in Europa haben die georgischen
Anbieter auf der PROWEIN noch nicht vermelden können, aber
einige sehr gute Kontakte, sagen sie. Konkreter wurde man allerdings
beim Weingut Peter Mertes, deren Chef, Michael Willkomm, sich
bisher beharrlich weigerte, seinen Saperavi aus Gremi aufs deutsche
Lager zu legen. Nach der sehr guten Nachfrage auf der PROWEIN
soll schon in wenigen Tagen ein erster Container von Kachetien
in Richtung Mosel verschifft und in ein paar Wochen in Deutschland
angeboten werden. Ein Großhändler aus dem Rhein-Main-Gebiet
wird ihn vertreiben. Der Endverbraucherpreis für die Weine
der Marke "Monastry Gremi" soll im Versandhandel deutlich
unter 10 € pro Flasche liegen. Die PROWEIN 2003 hat somit
zumindest für Liebhaber georgischen Weines in Deutschland
eine erste Erfolgsmeldung.
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