Ausgabe 3/02, 11. März
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Am Anfang war ein Traum, da heisst, es war wohl eher ein Alptraum. Wo immer auf der Welt Dr. Pantiko Tordia, der Generaldirektor der „Tbilaviamshemi Ltd.“, kurz TAM, nach Kooperationspartnern oder Absatzmärkten Ausschau hielt, bekam er diesselbe Frage vorgelegt: „Ist Ihr Betrieb zertifiziert?“. Das war im Jahr 1998, als Tordia wieder auf der Position eingesetzt wurde, die er bis 1991 schon einmal innehatte, nämlich der Leitung eines der wichtigsten Industriebetriebe Georgiens. Nur drei Jahre später, im November 2001, hielt er ein Papier in der Hand, das ihm und seinem Unternehmen den Zugang zu den Weltmärkten öffnen kann: ein TÜV-Zertifikat nach DIN EN ISO 9001:1994, ausgestellt vom deutschen  TÜVCERT. Die TAM ist somit der erste georgische Betrieb, der ein Qualitätsmanagement auf internationalem Niveau einführte und sich dieses zertifizieren liess. Heute erzählt Tordia nicht ohne Stolz, hat er bereit den ersten Auftrag in der Tasche, den er seiner Konkurrenz nur deshalb wegschnappen konnte, weil er über diese international anerkannte Zertifizierung verfügt. Es handelt sich um eine Metallkonstruktion bei der Rehabilitierung des Ingurikraftwerkes. Und erste Erfolge bei Kooperationsgespräche mit amerikanischen und kanadischen Flugzeugherstellern kann er ebenfalls vorweisen.

Als Tordia vor drei Jahren anfing, den altsozialistischen Rüstungskomplex, der einmal 15.000 Menschen beschäftigte, seit 1991 aber nichts mehr produzierte und still gestanden hatte, auf die Erfordernisse der Weltwirtschaft zu trimmen, hielten ihn viele für verrückt, zumal keiner die Kosten des Unternehmens Zertifizierung abschätzen konnte. Heute weiss man, dass rund 3 Millionen GEL aufgewendet werden mussten, um den Betrieb auf Vordermann zu bringen und den Zertifikations-Audit erfolgreich zu bestehen. Aber Tordia hielt beharrlich an seinem Ziel fest und sagt heute, die Preisstatue als erfolgreichster Manager Georgiens im Jahre 2001 in den Händen: „Wenn Du ein Geschäft beginnst, musst Du sehr präzise wissen, was Du willst. Es gibt nur diese eine Regel.“

Seit 35 Jahren im Betrieb

Der heute 66-jährige Tordia hat sein Geschäft nicht erst 1998 begonnen. Er war seit 1967 im Tbilisser Betrieb, stieg dort innerhalb von nur 18 Jahren vom einfachen Flugzeug-Ingenieur mit Abschluss in Saratow zum Generaldirektor auf, ehe er 1991 von Gamsachurdia abgesetzt wurde. Der neuen Regierung war der Manager und Technokrat der vergangenen Zeiten nicht genehm. Tordia „pausierte“ als erster stellvertretender Industrieminister und dann als Präsidialberater Schewardnadses für Militärtechnik, ehe ihn dieser wieder an seine alte Stelle beorderte. Und Tordia, der in der Zwischenzeit erkannt hatte, dass es darauf ankam, mit Flexibilität auf die Anforderungen der Märkte zu reagieren, begann, den Laden gründlich umzukrempeln.

Zur Strategie des Überlebens gehörte zunächst  einmal die Suche nach zivilen Produkten, die sich rasch vermarkten liessen. Denn Tordias Vorgänger, die glaubten, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion den zivilen Luftfahrtmarkt im Sturm erobern zu können, hatten mit dem Bau der YAK 58, einem 6-sitzigen Personenflugzeug, einen Riesenflopp gelandet. Alle zwei Prototypen, die man gebaut hatte, sind vom Himmel gefallen, einer im Jahr 1994 recht spektakulär beim Anflug auf Berlin, wo er auf dem Berliner Luftfahrtsalon den internationalen Durchbruch schaffen sollte. Man hatte Probleme mit den Triebwerken. Das Ende aller ehrgeizigen Pläne Georgiens in der zivilen Luftfahrt war besiegelt, ebenso schien das Ende der Tbilissier Flugzeugwerke unabwendbar.

Gasöfen statt Militärjets

Tordia startete zunächst eine Reihe kleinerer ziviler Produktionen, die etwas Geld in die Kasse bringen sollten: kleine bis mittlere Stromgeneratoren und Gasöfen für den Haushalt. Mit letzterem will man den riesigen Markt türkischer und iranischer Importe nach Georgien angreifen. 4.000 solcher Öfen hat man im vergangenen Jahr zu einem Stückpreis von 120 $ abgesetzt. Für den nächsten Winter will man während des Jahres rund 10.000 Gasöfen vorproduzieren und ist sicher, diese auch absetzen zu können. Für einen Betrieb, der früher einmal zur gehätschelten Rüstungsindustrie gehörte, sind das sicher beschämend kleine Zahlen und Produktionen. Aber Pantiko Tordia und seine Manager haben erkannt, dass man sich umstellen und bereit sein muss, kleinere Brötchen zu backen, will man überleben.

Ähnlich ist es mit den Hydro-Turbinen, das sind Stromaggregate, die überall in Fliessgewässern eingesetzt werden können. Ihre Leistung reicht von 2 bis 1000 Kilowatt. Von den georgischen Grenztruppen, deren Camps meist in unerschlossenen Hochgebirgsregionen liegen, hat die TAM einen Auftrag über 50 solcher Generatoren in der Tasche.

Stolz der Firma: MiG und SU 25

Die Geschichte der TAM ist rasch erzählt. Sie ist genau 60 Jahre alt. Um die Flugzeugfabriken in Taganrog und Sewastopol ins sichere Hinterland zu verlegen, hat man im Dezember 1941 die D. Dimitrov Flugzeugwerke in Tbilissi gegründet. Eine Muskinstrumentenfabrik und eine Eisengiesserei, die nach dem Krieg wieder selbständig wurde, hat man kurzerhand dem Rüstungskomplex einverleibt. 1942 schon wurde die Serienproduktion eines Kampfflugzeugs aufgenommen, dazu anderes Kriegsgerät wie Raketen und Geschosse. Nach dem Krieg beschäftigte man sich zunächst mit YAK-Kampfflugzeugen und MiGs, ehe man 1979 mit der Serienproduktion der legendären SU 25 begann.  Über 800 dieser Typen wurden gebaut und die Tbilisser Konstrukteure sind heute noch stolz darauf, dass nicht eines der Flugzeuge wegen technischer Mängel abgestürzt sei. MiGs wurden 8 nichtsowjetische Länder exportiert, die SU 25 unter anderem auch nach Afrika.

Flugzeugwartung gegen Ölschulden

Auch heute macht man wieder Geschäfte mit der SU 25. Unter anderem werden SU 25 aus Turkmenistan gewartet und modernisiert. Dafür erhält man zwar kein Geld, weil Turkmenistan diese Dienstleistung mit den Schulden Georgiens für Gas und Öl verrechnet. Gewinner ist also der georgische Fnanzminister, der dafür jetzt bei der TAM in der Kreide steht. Rund 22 Millionen $ schuldet der Staat seinem Flugzeugunternehmen, von zwei Jahren war es noch ungekehrt, da hatte die TAM wie fast alle grossen Industriebetriebe 25 Millionen $ Schulden. Immerhin, die TAM ist somit schuldenfrei und ein attraktiver Partner für ausländische Investoren. Zudem stehen noch einige SU 25 aus unverkauften Beständen herum, die zusammen mit einer israelischen Rüstungsfirma modernisiert und als „Scorpion“ auf dem Markt angeboten werden.

Die Zukunft sieht Pantiko Tordia allerdings in der zivilen Luftfahrt. Deshalb hat er alle Anstrengungen unternommen, die Zertifizierung zu erhalten. Wer vor vier oder fünf Jahren die völlig heruntergekommenen Werkshallen der TAM beschtigte, wird sich die Augen reiben, wenn er jetzt in der 30 x 60 m grossen Montagehalle für Flugzeuge steht. Ein neuwertiger Industriefussboden, blitzblank geputzt, Dächer und Fenster saniert, gutes technisches Equippment. Dazu eine kleine Konstruktionsabteilung, ausgerüstet mit Computern. Vor drei Jahren, als Pantiko Tordia anfing, dem Betrieb neue Ziele vorzugeben, gab es noch nicht einmal einen einzigen PC im ganzen Kombinat. Auch die Betreuer und Testierer vom deutschen TÜV waren überrascht, was sich in den letzten beiden Jahren in der TAM abgespielt hat. Beim Zertifizierungsaudit agen sie, hätte es keinen Ostbonus gegeben.

Neue Märkte

Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Mit der kanadischen Firma KELOWNA FLIGHTCRAFT R&D Ltd. hat Pantiko Tordia einen ersten Kooperationspartner. Die TAM modernisiert und überholt deren CONVAIR 5800. 30 Ingenieure aus Tbilissi wurde für diesen Auftrag in Kanada fortgebildet. Mit der amerikanischen Firma ASCEND AIR will man zwei und sechssitzige Flugzeuge bauen. Und mit der israelischen Firma EMIT ist man dabei, unbemannte Flugobjekte samt deren Flug- und Kontrollsystem zu entwickeln, die Aufgaben im Grenzschutz oder bei der Überwachung von Pipelines oder Stromleitungen übernehmen können. Es sieht also danach aus, als ob vom werkseigenen Flugplatz in naher Zukunft nicht nur Militärflugzeuge abheben werden.

Der Erfolg der TAM wird auch im Eingangsbereich des Werkes sichtbar. Wenn man die zugegebenermassen etwas rustikale Anfahrt hinter sich hat, sieht man einen Teil des flachen Eingangsgebäudes bereits saniert und das in einem auffällig modernen Design. Hier entsteht ein modernes Computerzentrum, das nicht nur den eigenen Betrieb mit Programmen und Netzwerklösungen versorgen soll. Man will seine Kapazität auch Fremdkunden anbieten. Rund 20 Computerspezialisten und Informatiker finden dort in Kürze ihren Arbeitsplatz. Und dahinter lässt Pantiko Tordia gerade den Verwaltungsrohbau fertigstellen, dessen Bau am Ende der Sowjetzeit eingestellt wurde.

Dr. Pantiko Tordia ist fast am Ziel, wäre da nicht noch eine zweite Frage, die ihm bei seinen Geschäftsreisen in aller Welt immer wieder vorgelegt würde: „Sind Sie ein Staatsbetrieb?“ Da kaum jemand in der Weltwirtschaft mit Regierungsbetrieben zusammenarbeiten wolle, bastelt Tordia derzeit an einem Privatisierungskonzept für sein Unternehmen. Da er sehr präzise weiss, wie er das bewerkstelligen will, kann man davon ausgehen, dass er auch dieses Ziel erreicht. Übrigens: Etwas mehr als 2.000 Menschen haben in der TAM bereits wieder einen Arbeitsplatz gefunden. Und im Hochglanzprospekt wird stolz von einem Jahresgewinn von 13,065 Millionen GEL im Jahr 2000 berichtet und einer Steuerleistung von 6,17 Millionen.

 


Erste Zertifizierung in Georgien


Scorpion über Uplisziche


Modernisierte SU-25


Computerzentrum und neue Verwaltung


Konstruktionsbüro


Dr. Pantiko Tordia


Gasheizöfen


Su-25


Glorreiche Vergangenheit


Werkshalle


Hydro-Station

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