Guten Tag aus Deutschland |
nach einem Jahr darf man sich ruhig ein feineres Kleid zulegen, dachten wir uns, und haben in den letzten Wochen am Titel unseres Magazins gebastelt. Etwas bunter sollte er werden, optisch auffälliger und trotzdem klarer in den Nutzerfunktionen. Wir denken, da sind uns durchaus einige Verbesserungen gelungen. Diese Ausgabe von GN hat deutlich einen kulturhistorischen und kulinarischen Schwerpunkt. Das liegt unter anderem auch daran, dass sich die georgische Politik derzeit in vielerlei Nebensächlichkeiten verheddert: Da streitet man sich im Parlament um die Heraufsetzung der staatlichen Mindestgehälter und tut dabei so, als ob der Finanzminister die dafür benötigten Summen aufbringen könnte. Der Wahlkampf, der Georgien im Herbst ins Haus steht, treibt jetzt schon jede Menge seltsamer Blüten. Nahezu alle Parteien sind unentwegt damit beschäftigt, in Statements mögliche Parteienbündnisse zu schmieden, die morgen schon wieder verworfen werden. Keine Angst, wenn wir einmal etwas weniger Politik bringen, Sie versäumen nichts. Nicht alles, was georgische Medien beschäftigt, muss in unsere Berichterstattung, die ja das Interesse des Auslandes an Georgien zu bedenken hat, einfließen. Und was die Ergebnisse des jüngsten Treffens zwischen Putin und Schewardnadse angeht, so haben beide Länder gerade eine gemeinsame Kommission gegründet, die entsprechende konkrete Schritte zur Rehabilitierung der Eisenbahn in Abchasien zusammen mit der Rückkehr georgischer Flüchtlinge erarbeiten soll. Das Kommissions-Virus, mit dem viele Entscheidungen wirksam vertagt werden können, treibt nicht nur in Berlin sein Unwesen. GN wird das Thema - und andere - rechtzeitig aufgreifen und im Zusammenhang von Entwicklungen darstellen. In Deutschland gibt es derzeit noch die Chance, georgische Kunstschätze in einer sehenswerten Ausstellung kennen zu lernen. Wir haben diese Ausstellung im Museum Wiesbaden besucht und präsentieren Ihnen Fotos, die Appetit machen sollen, aber auch ein paar kritische Anmerkungen zu einer Schau, aus der wir neben wirklich Sehenswertem auch Ungereimtheiten zu Protokoll geben müssen. Georgische Landschaften - natürlich haben wir im vergangenen Jahr immer wieder Fotos und Informationen von Teilen des Landes eingestreut. Mit einer Fotostrecke über Swanetien wollen wir aber beginnen, uns einigen Landstrichen etwas intensiver zu widmen, fotografisch und feuilletonistisch. Fortsetzungen (unregelmäßig wie bei GN gewohnt) folgen. Regelmäßig beschäftigen wir uns dagegen mit den folgenden Themen: Briefmarken, Kochrezepten und Restaurants. In der 3. Folge unserer philatelistischen Serie stellen wir die Sondermarken des Jahres 1995 vor. Sie können diese und andere Briefmarken über uns bestellen: erka@wanex.net Ihrer ganz besonderen Aufmerksamkeit empfehlen wir die neue Ausgabe unserer Rezeptsammlung von der neuen georgischen Küche. In einer wahren Nudelteig-Faltschlacht haben wir sechs spannende Füllungen für die beliebte georgischen Chinkali ausprobiert und wissen, dass wir damit ein georgisches Gourmet-Heiligtum angreifen. Nur Mut, machen Sie mit bei der Suche nach der originellsten Chinkali-Version. Der GN-Restaurant-Tester führt Sie heute nach Deutschland und zwar nach Offenbach, wo ein umtriebiger Exil-Georgier seine Gäste mit russischen und georgischen Spezialitäten verwöhnt. Da die meisten unserer Besucher aus Deutschland stammen, könnte dies durchaus ein praktischer Ganz-Jahres-Kneipen-Tipp sein. Apropos Besucher: Mehr als 900 Besuche haben wir für die letzte Ausgabe gezählt, damit nähern wir uns der 2.000 Besucher-Grenze pro Monat. Zum ersten Mal in der Geschichte von GN hatten wir an einem Tag mehr als 100 Besucher. Zwei Drittel unserer Besucher kommen aus Deutschland, 10 % aus Georgien, je knapp 5 % aus den USA, Österreich und der Schweiz. Ansonsten hat spylog, unsere Zählmaschine, Besucher aus folgenden Ländern registriert: Ungarn, Großbritannien, Belgien, Niederlande, Schweden, Norwegen, Russland, Frankreich, Polen, Iran, Türkei, Spanien, Slowakei, Bosnien-Herzegowina, Aserbaidschan, Vereinigte Arabische Emirate, Makedonien, Malaysia, Dänemark, Japan, Portugal und Rumänien. Das Redaktionsteam bedankt sich hiermit bei seinen Besuchern und Lesern in aller Welt. Viele Grüße - das letzte Mal aus Deutschland, ab April bin ich wieder in Georgien Ihr Rainer Kaufmann P.S. Wenn Sie georgische Delikatessen in Deutschland einkaufen wollen,
sollten Sie sich das Angebot von www.gourmantis.de
genauer anschauen. Wir haben einiges bereits getestet, besonders die beiden
Adschikas haben uns so gut gefallen, dass wir uns bereits damit beschäftigen,
sie in Rezepte der neuen georgischen Küche einzubauen. Glauben Sie
mir, Sie dürfen auf einige Überraschungen gespannt sein! Wir geben es ja zu: Der Angriff gegen die Chinkali, ein georgisches Gourmet-Heiligtum, ist von langer Hand vorbereitet. In den Hinterköpfen der GN-Versuchsköche spuken schon lange Zeit viele Ideen herum, wie man der rustikalen Nudelteigtasche aus dem Kaukasus mit der herzhaften und saftigen Hackfleischfüllung international etwas auf die Sprünge helfen könnte. Aber zu trauen haben wir es uns halt doch nicht gewagt. Der internationale Chatschapuri, mit dem wir unsere Reihe der "Neuen Georgischen Küche" eröffnet haben, hat unsere Angriffslust auf die kulinarische Ehre Georgiens voll und ganz befriedigt. Aber Irina Epitashvilis Restaurant-Test in der letzten Ausgabe von GN hat uns dann doch zu einem präventiven Erstschlag ermutigt. Immerhin hat man im Chinkali-Zentrum am Rusaweli mit bereits sechs Varianten der kunstvoll gefalteten Teigtaschen ganz beachtlich aufgerüstet. Drei davon sind sogar vegetarisch - und das im Lande des allgegenwärtigen Mzwadi. Also haben wir uns im sicheren, weil fernen alten Europa ans Werk gemacht und einen ganzen Samstag Abend neue Chinkali-Varianten in Stellung gebracht. Die GN-Reform-Koalition der Willigen setzte sich zusammen aus Thea Ketchagmadse, deren Großeltern aus Schatili stammen und die damit sozusagen Chinkali-genetisch erheblich vorbelastet ist. Daran konnte auch ein mehrjähriger Deutschlandaufenthalt, tags zuvor abgeschlossen mit einem superguten kaufmännischen Diplom, nicht viel ändern. Dazu gesellten sich als kreative Koch-Köpfe Frank Neubüser, Theas Freund und ausgewiesener Georgien-Kenner, und Rainer Kaufmann, GN-Chef und unter den Expats in Tbilissi bekannt als italienisch-deutscher Kochlöffeljongleur. Ein Team also, das sich in seinen individuellen Fähigkeiten wirkungsvoll ergänzte und es vorzog, am Abend der historischen Entscheidung über den deutschen Superstar den internationalen Superchinkali zu küren. Zuerst zum Teig, für den selbstverständlich Thea verantwortlich zeichnete. Im Chinkali-Entwicklungsteam hatten sich durchaus georgische Verhaltensweisen eingeschlichen: die Frau war zuständig für die gewöhnliche Hauptarbeit wie Teig kneten, auswellen und falten, die Herren fürs Schöpferische. Neue Füllungen zu kreieren erfordert nun mal die volle Konzentration aufs Wesentliche. Dabei sollte allerdings nicht verschwiegen werden, dass wir unserer Teigmeisterin das Auswellen desselben durch den Gebrauch einer bewährten italienischen Nudelmaschine durchaus erleichterten. Damit wurden die Teiglinge schön und vor allem gleichmäßig dünn. Mit dem Ausstechen gabs dann allerdings ein Problem, die normalen Ausstechformen und Gläser waren zu klein. In Georgien werden nämlich die ausgestochenen und relativ dicken Teiglinge per Hand zu ihrer endgültigen Stärke ausgewellt, eine Wahnsinnsarbeit, die wir gerne italienischen Nudelmaschine überlassen wollten. Hilfe fanden wir erst im Deckel eines Riesen-Nutella-Glases, der immerhin den Durchmesser von elf Zentimetern aufwies. Wer sich also des Komforts einer Nudelmaschine bedienen möchte, sollte sich vorher nach einer geeigneten Ausstechform umschauen: Zehn Zentimeter Durchmesser sollten es schon sein, besser 13 - 15. Jetzt also zu unserem Teigrezept: Wir haben ein Weizenmehl der Type 405
verwendet, das sichtbare Bestandteile von Weizenkeimen enthält. Diese
geben den Chinkali später eine schöne optische Struktur. Auf
ein Kilo Mehl haben wir drei Eier (zwei reichen auch) genommen, damit
der dünne Chinkaliteig beim Kochen fest genug wird und nicht bricht.
Nichts haben wir nämlich mehr gefürchtet als raffinierte Füllungen
in einem dicken, ordinären Teigknubbel. Damit der Teig trotz der
Eier bei der Verarbeitung nicht zu schnell trocknet und schön geschmeidig
bleibt, haben wir drei Esslöffel Olivenöl zugegeben und reichlich
Salz. Es hat blendend funktioniert. Eine zweite Grundregel gilt: Seien Sie nicht zu sparsam mit den Gewürzen. Die Würze der Füllung muss ja auch für den Teig ausreichen, der völlig neutral daherkommt. Wer also bei der Fülle mit Gewürzen spart, den ärgert später ein ziemlich fader Chinkali. Für Georgier eine Horrorvorstellung. Genug der Vorreden, jetzt wird's konkret: Chinkali goes international.
Klingt doch alles recht verführerisch? Oder nicht? Nur wer`s ausprobiert, weiß, was andere versäumen. Und nicht vergessen: Wenn Sie sich eine neue Chinkali-Füllung ausgedacht haben, schreiben Sie uns unter erka@wanex.net . Wir werden die besten Ideen vorstellen und mit einem üppigen traditionellen Chinkali-Essen für fünf Personen im Chinkali-Zentrum am Rustaweli prämieren. PS. Die Dessert-Variationen unserer Chinkali haben wir nicht vergessen. Wir werden den süßen Chinkali eine ganze Ausgabe unserer Serie über die "Neue Georgische Küche" widmen. Haben Sie also etwas Geduld. Im April gibt's zunächst einmal Saperawi-Pflaumen in Berghonig mit Zimteis. Dieser raffinierten Nachtisch kann in Georgien und Deutschland gleichermaßen zubereitet werden.
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